Im Gespräch mit…Netzwerkmitglied wirmuesstenmalreden

wirmuesstenmalreden (wmmr) ist ein netzaktivistisches Kollektiv bestehend aus drei mehrgewichtigen indigenen (1) und women of color (2). wmmr ist hauptsächlich eine Plattform für Bi_PoC. Es ist ein Ort des Austauschs, der Vernetzung, des gemeinsamen Lernens und Wachsens, und wenn man Bi_PoC ist, kann man jederzeit auf wmmr posten, was man möchte. Egal ob Make-up Tutorials, Tanzvideos, Rezepte bis hin zu bildungspolitischer Arbeit zu den verschiedensten Themen. Darüber hinaus ist wmmr ebenfalls eine Bildungsplattform für alle Menschen; auch hier entsteht wieder das Ziel des gemeinsamen Lernens und Wachsens. Insbesondere fokussiert sich wmmr dabei auf Rassismus, anti-indigenen Rassismus und Fettfeindlichkeit. Aber allgemein versuchen die drei Frauen, die Plattform für viele Themen zur Verfügung zu stellen.

Was bedeutet die Auseinandersetzung mit dem Thema Body Positivity, wenn man gleichzeitig auch i_WoC ist? Wie intersektional wird das Thema vor allem auch in der Gesellschaft angegangen?
Body Positivity ist eine politische Bewegung, die auf marginalisierte Körper und deren Diskriminierung, Unterdrückung und Ausgrenzung aufmerksam machen soll. Es ist eine Bewegung, die ihren Ursprung im Schwarzen und Fat Aktivismus hat. Es macht uns wütend, zu sehen, wie sich besonders schlanke, weiße cis Frauen diese Bewegung aneignen und somit die systematische und institutionelle Diskriminierung, Ausgrenzung und Unterdrückung von (besonders schwer- und mehrfach) marginalisierten Menschen relativieren, indem sie diese auf die gleiche Stufe wie die eigenen Selbstzweifel stellen. Was viele nicht verstehen, ist, dass alle Selbstliebe dieser Welt dennoch nicht die Diskriminierung verhindert, die marginalisierte Menschen erleben müssen. Selbstliebe verhindert nicht, dass wir auf offener Straße bespuckt und beleidigt werden, oder dass es an öffentlichen Orten keinen Platz für uns gibt. Diese Bewegung wurde sich angeeignet, eine Aneignung, von der besonders große Firmen stark profitieren. Wieso beispielsweise eine*n fette*n Bi_PoC nehmen, wenn ich genau so gut eine Ashley Graham nehmen kann, um mein Produkt unter #BodyPositivity zu vermarkten? Ja, Body Positive, aber nur für gesellschaftlich akzeptable(re) Körper bitte!

Ihr schafft einen Online Safe Space, wie safe ist dieser bzw. kann dieser online überhaupt sein?
Kein Space kann „safe“ sein, aber sicherer als andere. Jede Person, egal wie aufgeklärt oder aktivistisch, macht Fehler und reproduziert -Ismen. Uns eingeschlossen! Entlernung ist ein stetiger Prozess, der niemals aufhört, und es ist schwer, gegen ein (inneres) System anzukämpfen, welches man von klein auf internalisiert und als Richtwert erlernt hat. Im Aktivismus sollte es nicht um Perfektion gehen, sondern darum, dazu zu lernen, Verantwortung zu übernehmen und marginalisierten Menschen zuzuhören und diese zu supporten.

Ihr setzt euch sehr viel mit Selbst-Akzeptanz und Identitätsfindung auseinander – was könnt oder möchtet ihr anderen Personen gerne mit auf den Weg geben?
Stress dich nicht! Identitätsfindung und den Weg zur Selbstakzeptanz kann man nicht von einem auf den anderen Tag abschließen. Es braucht Zeit und es ist okay, sich dafür so viel Zeit zu nehmen, wie man braucht. Ich wollte früher auch oft, dass es ganz schnell geht und habe oft aufgegeben, wenn es nicht direkt funktioniert hat. Ich musste lernen, dass ich Zeit habe und mir Zeit nehmen darf. Ich dachte immer, dass ich erst richtig leben kann, wenn alles perfekt ist, aber das stimmt nicht. Verstehe, dass der Weg entscheidend ist, nicht das Ziel; ja das klingt, als käme es von einem cheesy Facebook Beitrag, aber es stimmt! Wir glauben, dass es nicht darum geht, gar keine Selbstzweifel mehr zu haben, sondern darum, zu akzeptieren  dass wir sie haben und dass es okay ist, diese zu haben. Mal abgesehen davon, dass wir nicht glauben, dass es ein „Ziel“ bzw. ein „Ende“ gibt. Selbstzweifel sind menschlich und normal, keine persönlichen Makel/Fehler.

Wie sieht Selfcare für euch aus? Habt ihr Tipps? 
Selfcare ist für jede Person anders. Selfcare ist für manche Comfort Food, für andere ist es mit Freund*innen feiern zu gehen, manche entspannen sich gern bei Kerzenschein und einem guten Film in einer Schaumwanne. Selfcare bedeutet lediglich, das zu machen, was dir gut tut, was dich entspannt und dich glücklich macht – egal, was es ist. Und es bedeutet auch, auf dich zu achten. Für uns bedeutet es im aktivistischen Kontext zum Beispiel, dass wir nicht immer 24/7 aktiv sein müssen, sondern auch das Recht haben, uns nur mal um uns selbst zu kümmern. Mach das, was dir gut tut! Experimentiere rum. Du weißt am besten, was dir gut tut. Aber vergiss nicht: Selfcare bedeutet nicht, dass du dich 6 Tage die Woche verausgaben musst, um dir einen Tag Entspannung zu verdienen. Versuche, etwas zu finden, was dir auch im Alltag gut tut!

Ihr habt kürzlich das Kollektiv DisCheck gelauncht, was hat es damit auf sich?
DisCheck ist ein unabhängiges Kollektiv. Nur eine von uns ist dort Teammitglied. DisCheck ist ein Beratungskollektiv für Unternehmen, Organisationen und Individuen, die ihre Medieninhalte diskriminierungssensibel und intersektional gestalten wollen. Das Kollektiv überprüft alles von Werbung, Instagram Posts, über Bücher, Filme und Serien bis hin zu Kampagnen, Workshops und Theaterstücken. Und bietet auch aktive Zusammenarbeit bei Projekten an, bei denen das Unternehmen/die Organisation & Co. von Anfang bis Ende des Projekts beraten wird. Darüber hinaus gibt es auch die Option, DisCheck langfristig in Anspruch zu nehmen. Egal was es ist, DisCheck überprüft alles! Wer noch mehr über DisCheck erfahren möchte, kann uns gern auf Instagram folgen: @discheck_ oder sich mal unseren Linktree anschauen; dort findest du alle Infos! https://linktr.ee/DisCheck

Unterstützen könnt ihr DisCheck am besten, wenn ihr das Kollektiv an andere weiterempfehlt. Beispielsweise eurer Firma, euren Mitarbeiter*innen, Freund*innen und Familie.

Was wünscht ihr euch von Politik und Gesellschaft?
Was wünschen wir uns nicht? Wir wünschen uns, dass marginalisierten Menschen mehr zugehört wird. Wir wünschen uns, dass indigene Menschen im Aktivismus inkludiert werden. Wir wünschen uns, dass Fettfeindlichkeit endlich als Diskriminierungsform anerkannt wird. Wir wünschen uns, dass Dinge, die selbstverständlich sein müssten, keine riesigen Debatten mehr auslösen würden. Es gibt vieles, was wir uns wünschen, was wir verlangen! Und wir versuchen, dafür zu kämpfen.

Danke für das Gespräch!
(Kate Dehn)